Nidderauer Stadtverordnete fordern Transparenz und Rücksichtnahme auf Kommunen
Die kommunale Daseinsvorsorge soll nicht durch die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada gefährdet werden. So lautet die Kernforderung einer Resolution an die EU-Kommission, das EU-Parlament, die Bundesregierung und die hessische Landesregierung, die auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von den Stadtverordneten in Nidderau verabschiedet wurde. Bei der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, den 16. Oktober 2014, stimmten allein die Vertreter der CDU gegen den Beschluss.
„Die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA stellen die Gestaltungsmacht der Kommunen grundsätzlich infrage. Problematisch ist auch das Informationsdefizit, denn es wird hinter verschlossenen Türen verhandelt“, erklärt Dr. Ralf Grünke, der den Antrag der grünen Fraktion begründete. „Das Stimmverhalten der Christdemokraten verwundert mich. Niemand sah sich bemüßigt, sich zum Inhalt der Resolution zu äußern. Die Ablehnung erfolgt ohne ein Wort der Erläuterung.“
Der Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Herr sieht das genauso: „Auch als Befürworter der geplanten Freihandelsabkommen hätte man der Resolution zustimmen können. Wir hatten nicht die Ablehnung von TTIP und CETA gefordert, sondern mehr Transparenz und den Erhalt des Gestaltungsmacht der Kommunen. Wer kann da schon etwas dagegen haben?“
Kommunale Daseinsvorsorge nicht durch Freihandelsabkommen gefährden
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Nidderau
– appelliert an
– die Kommission der Europäischen Union
– das Parlament der Europäischen Union
– die Bundesregierung
– die Landesregierung Hessen
sich im Zuge der Verhandlungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), und des internationalen Dienstleistungsabkommens „Trade in Services Agreement“ (TISA), sowie auch beim bereits verhandelten Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) uneingeschränkt für die kommunale Selbstverwaltung, den Schutz und Fortbestand der kommunalen Daseinsvorsorge und der kommunalen Kultur- und Bildungspolitik einzusetzen.
Die Stadtverordnetenversammlung stellt fest, dass:
- Die bisherigen Verhandlungen weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt
wurden und diese Intransparenz das Misstrauen in die Verhandlungsführung der EUKommission
erhöht hat und die demokratischen Grundsätze untergräbt,
- die geplanten Abkommen nach derzeitigem Kenntnisstand geeignet sind, die
bisherige Form kommunaler Daseinsvorsorge und das Subsidiaritätsprinzip zu
gefährden und negative Auswirkungen für das kommunale Handeln, bei der
öffentlichen Auftragsvergabe, einschließlich der Delegation von Aufgaben an
kommunale Unternehmen, der Förderung und Unterstützung von Kultur und der
Erwachsenenbildung (z.B. über Volkshochschulen) wie auch der Tarifgestaltung und
die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte der Stadt …/des Landkreises … haben
können,
- die geplanten Abkommen der Eröffnung von Marktzugängen im Dienstleistungssektor
dienen, insbesondere auch der öffentlichen Dienstleistungen, und die
Organisationshoheit der Kommunen gefährden, darunter nicht liberalisierte Bereiche,
wie die kommunale Wasserver- und Entsorgung, die Bereiche Abfall und ÖPNV,
soziale Dienstleistungen einschließlich des Gesundheitsbereiches sowie die
öffentlichen Dienstleistungen im Kultur und Bildungsbereich,
- durch die Verwendung von sogenannten Negativlisten, die Rekommunalisierung von
Dienstleistungen deutlich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich macht.
Die Stadtverordnetenversammlung fordert, dass:
- Die Verhandlungen mit größtmöglicher Transparenz- und Öffentlichkeit zu führen
sind,
- die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge und
der kommunalen Infrastruktur – auch nicht durch die Verwendung sogenannter
Negativlisten – eingeschränkt werden darf und Spielräume für eine Auftragsvergabe
nach sozialen, ökologischen oder regionalen Kriterien nicht verschlechtert werden
dürfen,
- Umwelt- und Sozialstandards und die Möglichkeiten politischer Gestaltung nicht
durch Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren parallel zur bestehenden
Gerichtsbarkeit gefährdet werden dürfen.
Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert,
im Ministerrat der Europäischen Union im Bereich der Dienstleistungen aktiv für so genannte Positivlisten einzutreten, die explizit nicht die kommunale Daseinsvorsorge sowie den Kultur-; Gesundheits- und Bildungsbereich tangieren. Die Anwendung von Negativlisten im bereits verhandelten Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) darf nicht gebilligt werden. Hier muss nachverhandelt werden.
Für die Fraktion B`90/DIE GRÜNEN
Karl-Heinz Herr Fraktionsvorsitzender